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Glockenläuten Botschaften im Ordens- und Krankenhausalltag Über der Böheim-/Ecke Eierstraße schlagen täglich die Glocken in den Türmchen des alten Marienhospitalgebäudes, um 12 und um 18 Uhr, ein heller, eindringlicher Klang: Das sogenannte Angelusläuten, das die Ordensschwestern zur stillen Gebetszeit ruft. Früher, so erklärt Oberin Arntraud Krieger, hätten die Glocken auch morgens um 6 Uhr geläutet. „Dieser energische Weckruf war an manchen Tagen schon ein kleines Martyrium“, erinnert sich ein Nachbar schmunzelnd. „Doch heute fehlt mir dieses verlässliche Einläuten des Tags regelrecht.“ Auch zur Ankündigung der Gottesdienste dienstags, mittwochs, donnerstags und sonntags läuten die Glocken, und freitags um 11 Uhr gemahnt ihr Klang an den Tod Jesu. Alljährlich nach dem Abendmahl an Gründonnerstag verstummen traditionell die Glocken. „Sie reisen nach Rom, wurde bei uns früher dieses Glockenschweigen erklärt“, erzählt Oberin Arntraud Krieger. „Erst in der Karnacht waren sie wieder zu hören und läuteten die ostersonntägliche Feier der Auferstehung Jesu ein.“ Die Tradition des Glockenläutens reicht lange vor die christliche Zeit zurück. Ursprünglich aus Asien stammend, verbreitete sich Der helle Klang der zwei Glocken in den Türmen des Marienhospital-Altbaus ertönt nicht nur für Patienten und Mitarbeitende des Krankenhauses; auch für die Heslacher Anwohner gehört er zum alltäglichen Klangbild. Im Unterschied etwa zum welt- lichen Stundenschlag handelt es sich bei diesen Glocken um ein sakrales Geläut, das zum Gebet oder Gottesdienst ruft. das Instrument über die Jahrhunderte hinweg bis nach Europa. Vielerorts wurden Glocken bei kultischen Anlässen eingesetzt, sollten Dämonen bannen und Götter besänftigen, waren bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen zu hören genauso wie bei Unglücksfällen oder Bedrohungen, Feuer oder Gewitter – ein stets wichtiger Signalgeber für die Gemeinschaft. Die beiden Glocken, die heute vom Marienhospital läuten, wur- den 1948 geweiht. Sie ersetzten die ursprünglichen Glocken, die ihr Schicksal mit vielen anderen Kirchenglocken geteilt haben, als sie im Krieg eingeschmolzen und zu Waffen verarbei- tet wurden – eine groteske Verkehrung ihres ursprünglichen Zwecks als Rufzeichen des Friedens und der Einkehr. Die größere Glocke trägt das Bild Mariens, dazu die Aufschrift „Maria, Heil der Kranken, bitte für uns“, die kleinere zeigt den heiligen Joseph, Schutzpatron der Sterbenden, mit der Inschrift „Bitte für uns“. Die Glocken stehen als Zeichen der Hoffnung, Fürbitte und des Friedens – ein bleibendes Symbol für die Verbindung von Glauben und Menschlichkeit – über Konfessionen und kulturelle Grenzen hinaus. 34 marien 01 | 2025
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