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„Wo es zum Professor Heino ginge, hatte mich einmal ein Patient in gebrochenem Deutsch gefragt. Mit den Vornamen der behandelnden Ärzte hier im Haus kenne ich mich leider nicht so aus, habe ich ihm geantwortet. Aber wenn er mir verraten würde, wo genau er Schmerzen habe, könne ich ihn womöglich zur richtigen Fachambulanz bringen. Der Mann deutete daraufhin auf seinen Hals, und ich begriff: Der Patient hatte nicht ‚Heino‘, sondern die HNO gemeint.“ Schwester Maria Andrea lacht. Überhaupt lacht die zierliche Ordensschwester gern. Über ein solch lustiges Missverständ- nis aus ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Lotsendienst am Marienhospital, über Witze, von denen sie stets einen parat hat, oder auch über Begebenheiten aus ihrer Zeit als Lehrerin mit den Schwerpunktfächern Deutsch, Rhythmik, Biologie und Musik. Und ebenso aus ihrer Zeit am Kolleg Sankt Josef in Ehingen, wo sie für den Religionsunterricht und die Freizeitgestaltung der männlichen Jugendlichen zuständig war. Da hatte sie für die Jungs einmal Bastelarbeiten vorgesehen. „Die wollten aber natürlich viel lieber Fußball spielen.“ Sie ließ sich überreden, mitzuspielen, fiel aber bereits in den ersten Minuten schlimm hin, sodass sie vom Spielfeld musste. „Ich war insgeheim sehr froh, hatte ja vom Fußball und den Regeln gar keine Ahnung“, schmunzelt sie. Acht Buben und fünf Mädle Als dreizehntes von fünfzehn Kindern wurde Sr. Maria Andrea mit dem Taufnamen Anna Reichle in der Nähe von Ravensburg geboren. Die Eltern führten eine Landwirtschaft, doch das Leben stellte die Familie früh auf die Probe. Bei der Geburt des jüngsten Kindes verstarb die Mutter, da war Anna gerade ein- mal sechs Jahre alt. „Zwei meiner Geschwister sind früh ver- storben. Wir waren dann noch acht Buben und fünf Mädle“, erinnert sie sich. Der Vater verstarb nur dreieinhalb Jahre spä- ter. So übernahm die älteste Schwester den Haushalt, den Hof samt Landwirtschaft ein Bruder – doch alle packten mit an. Ganz sicher die meisten Mitarbeitenden, aber bestimmt auch viele Patienten und deren Angehörige des Marienhospitals kennen sie: Schwester Maria Andrea Reichle, die seit über zehn Jahren im ehrenamtlichen Lotsendienst den Besuchern des Hauses den richtigen Weg weist ... Trotz der Herausforderungen legte die Familie großen Wert auf Schulbildung. Anna besuchte in Schwäbisch Gmünd zunächst das Töchterinstitut St. Loreto, eine Einrichtung der Barmherzi- gen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, dann das Aufbau- gymnasium und später die Pädagogische Hochschule. Schon früh verspürte sie den Wunsch, selbst in den Orden einzu- treten, während sie gleichzeitig ihre Liebe zur Musik entdeckte und ihre musikalische Begabung weiterentwickelte. Der Weg in den Orden 1958, mit 19 Jahren, trat Anna Reichle in den Orden der Vinzen- tinerinnen ein. Drei Jahre später, im Jahr ihres Abiturs, wurde sie eingekleidet und legte 1962 ihre Profess, das Ordens- gelübde, ab. Es folgte eine bewegte Zeit als Lehrerin an ver- schiedenen Stationen, bevor sie ab 1986 am Marienhospital Stuttgart in der Krankenhausseelsorge tätig wurde. Unermüdliche Lotsin „Vom Geben wird man niemals arm“ – der Leitsatz ihrer früh verstorbenen Mutter hat Sr. Maria Andrea ihr Leben lang begleitet. Seit 2013 befindet sie sich offiziell im Ruhestand. Doch wer sie auf der Station M1 im Marienhospital erlebt, erkennt schnell, dass dieses Wort für sie keine Bedeutung hat. Als ehrenamtliche Lotsin ist sie unermüdlich im Einsatz und schenkt den Menschen mit ihrer herzlichen und hilfsbereiten Art nicht nur Orientierung, sondern immer auch ein Lächeln. Schwester Maria Andrea Reichle, seit zwölf Jahren ehrenamtliche Lotsin mit Herz und Humor „ Vom Geben wird man niemals arm “ Sr. Maria Andrea weist Wege und schenkt Lachen marien 01 | 2025 35
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