„Vergiss den Tod durch Lungenerkrankung, man stirbt an schlechter Konversation!“ Dieses gewagte Wort habe ich vor ein paar Wochen vor dem Fernseher aufgeschnappt. In einer dieser opulenten Netflixserien, die sich gern um das Wohl und Wehe Prominenter oder wie hier um das gekrönter Häupter drehen. Das Zitat wurde dort Maria von Teck zugeschrieben. Es geht in der Serie um die Familiengeschichte der Windsors.
Maria wusste, wohin die Nikotinsucht führt
Wer gut aufgepasst hat, weiß: Bis 1917 hieß diese englische Dynastie noch „Sachsen, Coburg und Gotha“. Wir sehen also dort in einer der ersten Episoden die schwer lungenkranke Maria von Teck. Wen bitte meine ich damit? Bekanntlich war die Großmutter der heutigen englischen Königin Elisabeth II. eine halbe Schwäbin. Maria, von Geburt eine von Teck, wurde später durch Heirat zu Queen Mary, nach welcher nebenbei bemerkt auch diese britischen Luxusdampfer benannt sind.
Queen Mary war wie viele, allzu viele Mitglieder ihrer Familie Windsor Kettenraucherin, bis ins hohe und höchste Alter. Zu welchem Ende das wohl oder übel führen würde, war ihr sonnenklar. Sie war überhaupt ein nüchterner, unsentimentaler Mensch. Jedenfalls soll sie dieses erstaunliche Wort gesagt haben, als ihre älteste Enkelin Elisabeth sie einmal an ihrem Krankenbett besuchte: „Vergiss den Tod durch Lungenerkrankung, man stirbt an schlechter Konversation“. Soviel Stoizismus, soviel Sarkasmus vielleicht auch, bringt nicht jeder auf. Aber mir scheint, dieser königliche Ausspruch passt ganz gut in unsere bewegte Zeit. Wir können ihn getrost im Blick auf unser Leben in der Pandemie übersetzen: Alles ernst nehmen, alles beachten und befolgen, was unter Coronabedingungen nötig ist und hilft – für einen selbst und genauso für die anderen. Aber sich nicht ausschließlich darauf fixieren, festlegen und einengen lassen. Das Rechte tun – und darüber um Himmels willen nicht immer mehr, immer weiter, immer unausweichlicher das Menschliche vernachlässigen.
Tod durch Verlust des Humanen
Maria, Queen Mary, spricht von schlechter Konversation. Das mag für die Paläste von Windsor, Sandringham oder Balmoral gelten. Wir können es für unsere Zeit und unsere Bedürfnisse etwas abwandeln: Miteinander im Kontakt bleiben, die Not und auch die Freude des anderen sehen und darüber reden, schreiben, mailen, whatsappen. What ever. Ich sage: Der Tod durch Lungenerkrankung ist schlimm, der Tod durch Verlust des Humanen ist es nicht weniger.
Ich schreibe diese Gedanken im April. Sie lesen das erst im Sommer, aber es steht zu befürchten, dass uns Corona noch eine ganze Zeit beschäftigen wird.
Ihr Pfarrer Eckhard Ulrich
(evangelischer Klinikseelsorger bis Mai 2021)