Smarte Uhren wie die AppleWatch können Puls, Blutsauerstoff, EKG, die Stabilität beim Gehen oder einen asymmetrischen Gang messen. Doch die cleveren Uhren sind bislang noch nicht als offizielle Messgeräte im Gesundheitswesen zertifiziert. Eine internationale Studie, an der auch das Marienhospital beteiligt ist, soll jetzt die Aussagekraft ähnlich funktionierender digitaler Systeme untersuchen.
150 Experten aus 13 Ländern
„Ich bin überzeugt, dass digitale Bewegungssensoren in Zukunft eine wichtige Rolle in der Medizin spielen werden. Insbesondere bei der Überprüfung des Behandlungs- und Rehaerfolgs von Menschen, deren Mobiliät eingeschränkt ist“, sagt Professor Dr. Ulrich Liener. Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie des Marienhospitals Stuttgart. „Die Mobilität ist nämlich ein ähnlich wichtiger Indikator wie Körpertemperatur oder Blutdruck.“
Studie „Mobilise-D“
Professor Lieners Klinik beteiligt sich an der Studie „Mobilise-D“, was soviel wie „Mobilisieren mittels Digitaltechnik“ bedeutet. 150 Fachleute aus 13 Ländern, 34 europäische Universitäten und Krankenhäuser sowie Industrieunternehmen, Patientenverbände etc. führen die Studie durch. Gefördert wird sie unter anderem aus EU-Mitteln. „Ziel ist es, mithilfe eines an der Hüfte getragenen Bewegungssensors die Mobilität von Patienten zu erfassen“, sagt Clarissa Huber. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin und studierte Pflegepädagogin absolviert seit 2020 ein Masterstudium in Public Health in Fulda. Im Rahmen einer 30-Prozent-Stelle ist sie neben dem Studium für die praktische Durchführung der Mobilise-D Studie am Marienhospital und am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) zuständig. „Die beiden Häuser untersuchen im Rahmen der Studie die Mobilität von Patienten nach einer Fraktur im Bereich des Hüftgelenks“, sagt Clarissa Huber.
Patienten machen gern mit
Clarissa Huber beurteilt anhand der Patientenakten, welche Patientin und welcher Patient im RBK oder Marienhospital für eine Teilnahme an der Studie infrage kommen. So müssen Teilnehmende neben etlichen anderen folgende Kriterien erfüllen: Sie müssen älter als 45 sein, ohne fremde Hilfe zurechtkommen und mindestens vier Meter am Stück laufen können. „Wenn ich geeignete Patienten frage, machen die meisten gern bei der Studie mit“, so Clarissa Huber. Denn die engmaschige Überprüfung ihrer Genesungsfortschritte sehen viele als großen Vorteil der Studienteilnahme an.
Mitunter ist die Brille schuld
Geld erhalten die Probanden nicht, aber Fahrtkosten und Verpflegung an den Untersuchungstagen werden übernommen. Kurz nach der Hüftoperation oder nach der anschließenden Reha werden die Studienteilnehmer ins Bewegungslabor des Robert-Bosch-Krankenhauses eingeladen. Hier finden Bewegungs-, Koordinations- und weitere Tests statt. „Die Patienten profitieren davon oft sehr. Wenn jemand auch Wochen nach einer Hüft-OP noch unsicher auf den Beinen ist, hat das mitunter ganz banale Ursachen. Etwa eine schlecht angepasste Brille oder falsche Einlagen in den Schuhen“, so Clarissa Huber.
Solche Dinge werden bei den Untersuchungen rasch bemerkt und können meist leicht behoben werden. Nach dem Test werden die Patienten gebeten, eine Woche lang einen Bewegungssensor mit einem Gürtel an der Hüfte zu tragen. Der Sensor erfasst Mobilitätsdaten wie Gehstrecke und -geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit des Gangs. Der zweite Untersuchungstermin findet sechs Monate später statt und läuft ähnlich ab. „Wir bitten die Patienten, wenn möglich an drei weiteren Untersuchungen alle sechs Monate teilzunehmen“, sagt Professor Liener. Auch nach diesen sollten sie den Bewegungssensor wieder je eine Woche lang am Gürtel tragen.
Die Studie will herauszufinden, ob sich anhand der Sensordaten kritische Krankheitsverläufe mit schlechter werdender Mobilität voraussagen lassen. Dann könnte durch geeignete Maßnahmen rechtzeitig gegengesteuert werden. 2024 sollen die Ergebnisse vorliegen.
Einen ausführlichen Artikel über die Studie finden Sie in der aktuellen Ausgabe (1/2022) der Patientenzeitschrift „marien“ auf den Seiten 12 bis 13.