Ohne die Notaufnahme läuft nichts. Im Marienhospital heißt sie korrekt Klinik für Notfallmedizin, deren Ärztlicher Direktor Dr. Yves Oberländer ist, Facharzt für Innere Medizin, Intensiv- und Notfallmedizin. „Es ist unsere Aufgabe, interdisziplinär behandeln zu können“, sagt Dr. Oberländer.
Schnell und effektiv behandeln ist angesagt
Das heißt, egal mit welchem Krankheitsbild die Patienten eingeliefert werden oder auch eigenständig als sogenannte Fußgänger in die Notaufnahme kommen: „Erstversorgung mit Diagnostik und Therapie finden bei uns statt. Danach ist selbstverständlich die Fachexpertise anderer Abteilungen von großer Bedeutung für die weitere Behandlung“, so der Ärztliche Direktor. Konkret: Ob Knochenbruch, Kreislaufprobleme oder auch wenn der Hubschrauber mit einem Verbrennungsopfer auf dem Dach landet – die Erstversorgung geschieht in der Klinik für Notfallmedizin.
Sobald die Patienten stabilisiert sind, stehen eventuell weitere Maßnahmen an: von der Herzkatheteruntersuchung bis zur Intensivstation.
In zwei Wellen kommen Patienten aus den Sprechstunden
Das bedeutet eine Menge Arbeit am Tag, an dem im Schnitt 100 Patienten in die Notaufnahme kommen, also 35.000 im Jahr. Von den 100 am Tag würden dann 20 bis 30 stationär aufgenommen und nach Anmeldung sowie Erstversorgung in die anderen Abteilungen des Hauses weitergeleitet. „Die kommen aber nicht alle brav hintereinander, sondern gefühlt gleichzeitig, das ist dann schon eine große Herausforderung“, so Dr. Oberländer.
Alexander Krauß, Pflegebereichsleiter der Klinik für Notfallmedizin, berichtet von zwei großen Wellen. Beide gehen oft aus den Sprechstunden der behandelnden Ärzte hervor: morgens gegen 11 Uhr, und dann wieder am frühen Abend um 18 Uhr. Er beobachtet „eine gesellschaftliche Verschiebung von den Praxen in die Notaufnahme. Aber wenn der Patient sich so krank fühlt, dass er sich bei uns vorstellt, muss man das natürlich erst einmal ernst nehmen“, so Alexander Krauß.
Zum Alltag in der Klinik für Notfallmedizin gehören akuter Durchfall und Erbrechen ebenso wie die ausgekugelte Schulter des Fußballers. Ebenso die ältere Dame, die zu wenig getrunken hat. Dazu saisonal bedingt auch Unfälle im Garten oder am Holzkohlegrill. Insgesamt sind 14 Ärzte und fast doppelt so viele Pflegende im Einsatz. Neben der Belastung fürs Team kommt noch das Platzproblem hinzu. Elf Behandlungsplätze gibt es in der Notaufnahme und sechs Beobachtungsbetten, die maximal 24 Stunden belegt sein dürfen. Somit gehören ständige Rochaden auch auf den Fluren dazu – und die Ungeduld der Patienten. „Hier fühlen sich 15 Minuten wie eine Stunde an“, sagt Pflegeleiter Alexander Krauß. Also müsse man mit viel Gespür beruhigend auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Und im Übrigen auch viel Zeit am Telefon verbringen, wenn besorgte Angehörige wissen wollen, was los ist. Aber Stichwort Datenschutz: „Manchmal weiß man erst mal nicht genau, wer am anderen Ende des Apparats ist und welche Informationen man rausgeben kann“, sagt Alexander Krauß.
Jeder eingelieferte Fall konnte auch ein Coronapatient sein
Wenigstens hat sich nach zwei Jahren Pandemie die Lage wieder einigermaßen normalisiert. „Corona hat die Situation hier komplett verändert“, sagt die stellvertretende Pflegebereichsleiterin Katharina Loschko. „Wo normalerweise alle Patienten versorgt und beobachtet wurden, mussten plötzlich Isolationsplätze geschaffen werden“, so Loschko.
Überhaupt Corona: „Wir haben hier nahezu 100 Prozent der Betroffenen im Marienhospital gesehen. Wir mussten improvisieren mit einer nicht unerheblichen Gefahr für uns alle“, wie Dr. Oberländer anmerkt. Jeder Fußgänger, jede schmerzhafte Brust, jeder Magen-Darm-Fall konnte auch ein Coronapatient sein. „Aber die Teams der Notfallmedizin sind in der Politik unterm Radar geblieben und mussten noch für eine Coronaprämie kämpfen“, stellt Dr. Yves Oberländer enttäuscht fest. Alexander Krauß jedenfalls ist froh, „dass wir bei dieser Belastung die Erkrankungsrate des Teams in der Notaufnahme sehr weit unten halten konnten“.
Routineaufgaben stehen ebenfalls an
Allerdings ist in der Notaufnahme nicht immer nur „Action“, sondern es müssen auch viele Routineaufgaben erledigt werden. Dennoch: „Wir haben einen der spannendsten Arbeitsplätze in der Medizin. Wir sind die 'Troubleshooter'. Wenn es irgendwo ein Problem gibt: Wo ruft man an? Wo geht man hin?“ fragt Dr. Oberländer rhetorisch. In die Notaufnahme.
Übrigens nicht nur von außerhalb, sondern zu einem gewissen Anteil auch innerklinisch. Dazu gehören Patienten aus der Ambulanz oder auf der Normalstation mit einem Akutproblem ebenso wie Besucher, denen es plötzlich schlecht geht. Aber wer woher auch immer in die Notaufnahme kommt: „Wir müssen immer nach der Dringlichkeit schauen und unterscheiden können“, sagt Katharina Loschko. „Damit muss man lernen, umzugehen.
Das enorme Spektrum einer Notaufnahme geht von einer leichten Erkrankung bis hin zu Patienten, um deren Leben wir kämpfen müssen“, sagt die zweite stellvertretende Pflegebereichsleiterin Esther Weber. „Man kann nicht planen. Es kann sein, wir sitzen hier jetzt im Gespräch und müssen in der nächsten Minute im Schockraum sein und umschalten“, ergänzt Alexander Krauß. Was aber alle Gesprächsteilnehmer bestätigen: Das interdisziplinäre Arbeiten und das medizinische Involviert-Sein der Pflegekräfte schweiße das Team zusammen – bei flachen Hierarchien, ständigem Austausch und hohem Niveau in allen Bereichen. Darauf kann man ruhig auch ein bisschen stolz sein. Aber eigentlich macht man in der Notaufnahme nicht viel Aufhebens drum, sondern einfach nur einen guten Job.
WEITERBILDUNGEN rund um die NOTFALLMEDIZIN
Lange Zeit waren die Notaufnahmen keine eigenständigen Abteilungen, sondern angegliedert: im Marienhospital an die Innere Medizin 1 und 2. Seit 2020 ist die Klinik für Notfallmedizin eine eigene Fachabteilung. Inzwischen gibt es bundesweit auch eine Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin.
Pflegekräfte haben im Bildungszentrum des Marienhopitals ein vergleichbares Angebot mit der Fachweiterbildung Notfallpflege. Bereichsleiter Alexander Krauß würde sich wünschen, dass die Zusatzqualifikation auch höher vergütet würde. Er freut sich auf die Herausforderung, junge Kollegen so an die Arbeit heranzuführen, dass sie in allen Bereichen Sicherheit haben. Zudem wird am 14. September 2022 erstmalig ein Notfallpflegekongress abgehalten. Alle Teilnehmerplätze sind bereits belegt.