„Früher hatte ich so schöne rote Haare,“ entgegnet Vera Winkler auf das Kompliment zu ihrer extravaganten Erscheinung. Mit kunstvoll geschlungenem pinkfarbenem Tuch um die kurzen weißen Haare und mit rot geschminkten Lippen kommt sie zur Kontrolluntersuchung in die Kardiologie am Marienhospital. Der temperamentvollen 90-jährigen Frau merkt man nicht an, dass sie an einer Herzschwäche leidet. Anfang des Jahres erhielt sie aufgrund einer diagnostizierten Herzklappenundichtigkeit mit dem sogenannten MitraClip®- und zusätzlich TriClip®-Eingriff eine schonende und zugleich effektive Therapie.
Das Herz – Motor des Körpers
Als gesunder Mensch spüren wir unser Herz normalerweise nicht. Dennoch ist es das wichtigste Organ in unserem Körper. Bei einer durchschnittlichen Größe von zehn auf 15 Zentimeter wiegt es gerade einmal 300 bis 350 Gramm. Es schlägt 60 bis 80 Mal in der Minute, also rund 4.200 Mal in der Stunde, damit 100.000 Mal am Tag. Unser Herz pumpt täglich 10.000 Liter Blut durch unseren Körper und versorgt alle Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Herzinsuffizienz
Bei einer Herzschwäche schafft es der Herzmuskel nicht mehr, genügend Blut vorwärts zu pumpen. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Eine davon ist die Undichtigkeit (Insuffizienz) einer oder gleich mehrerer der insgesamt vier Herzklappen. Sind die sogenannten Segelklappen (Mitralklappe oder Trikuspidalklappe) zwischen Vorhof und Herzkammer betroffen, verursacht dies den Rückstrom einer mitunter großen Blutmenge in die Vorhöfe. Im Fall der Mitralinsuffizienz führt dies dann zum Rückstau des Bluts in die Lungenvenen, was wiederum die Lunge sehr belastet. Bei einer Trikuspidalinsuffizienz ist das venöse System (Lebervenen, Beinvenen etc.) betroffen.
Daher kommt es bei den betroffenen Patienten letztlich zu Atemnot unter Belastung und im fortgeschrittenen Stadium auch im Ruhezustand. Darüber hinaus tritt häufig eine vermehrte Wassereinlagerung in den Beinen auf. Außerdem verursacht der verminderte Blutfluss häufig Leber- und Nierenfunktionsstörungen, da die Organe nicht ausreichend versorgt werden. „Bei der geringsten körperlichen Belastung bekam ich Atemnot, hatte sehr schmerzhafte Wassereinlagerungen und auch schlimme offene Wunden an den Beinen“, erinnert sich Vera Winkler. Diese typischen Symptome gaben bereits den Hinweis auf eine Herzschwäche. Via Ultraschall stellten die Kardiologen am Marienhospital fest, dass die Herzklappenfunktion aufgrund einer Undichte eingeschränkt war und dadurch die Pumpleistung entsprechend geschwächt.
Schonende Therapie für Risikopatienten
Aufgrund ihres hohen Alters und mehrerer Vorerkrankungen galt Vera Winkler als Risikopatientin. Eine herkömmliche Herzoperation war daher nicht angezeigt. „Früher war die Behandlung der Klappeninsuffizienzen eine Domäne der Herzchirurgie. Die betroffenen Klappen wurden repariert oder mussten ausgetauscht werden. Im Fall von sehr betagten und schwer vorerkrankten Patienten wurde die belastende herzchirurgische Operation aber oftmals abgelehnt, da das Risiko als zu hoch eingestuft wurde. Diese Patienten konnten mit einer medikamentösen Therapie allein nicht ausreichend behandelt werden“, erläutert Dr. Thomas Güthe. „Das Clipping bietet hier eine ideale und schonende Versorgung“, ergänzt er. Dr. Thomas Güthe gehört zu den Pionieren dieser Methode und hat mit seiner großen kardiologischen Expertise am Marienhospital Stuttgart ein hochqualifiziertes und erfahrenes Team aufgebaut.
Zurückgewonnene Lebensqualität
Bei Vera Winkler bestand eine schwergradige Undichtigkeit der Mitral- und Trikuspidalklappe. Daher kam die hochbetagte Patientin für ein minimalinvasives Verfahren mittels Mitra-Clip® bzw. TriClip® infrage. Da aber auch die Vollnarkose eine gewisse körperliche Belastung darstellt, wurde bei ihr in gleicher Sitzung sowohl die MitraClip®- als auch die TriClip®-Prozedur durchgeführt, was in dieser Kombination eher selten vorgenommen wird.
„Meine größte Sorge war, dass ich nach der Narkose nicht mehr klar denken könnte. Doch ich habe alles sehr gut überstanden und fühle mich geistig fit,“ freut sich Vera Winkler. Wenige Wochen nach dem Eingriff sei sie körperlich zwar noch etwas schwach und manchmal etwas unsicher auf den Beinen gewesen. Doch dies sei vermutlich ihrem Alter geschuldet, lacht sie. Froh und erleichtert ist sie jedenfalls, dass die Beine wieder schlank und die Wunden vollständig geheilt sind.
HERZREPARATUR PER KATHETER – MitraClip®- und TriClip®-Verfahren
Innovative Methode
2003 wurde das TEER-Verfahren (transkatheter edge-to-edge repair) für die linke Herzkammer, an der Mitralklappe (MitraClip®) als minimalinvasive, wenig belastende Therapie entwickelt. Seit 2020 wird dasselbe
Verfahren auch für die rechte Herzkammer an der Trikuspidalklappe (TriClip®) angewandt. Bei beiden
Verfahren erfolgt eine Reparatur der jeweiligen Herzklappe durch Einsetzen eines oder mehrerer Clips
im Bereich der Klappensegel. Hierdurch soll die Herzklappe besser schließen und die Strömungsrichtung
des Bluts stabil bleiben. Die Clips werden direkt an die Klappensegel angebracht, ohne dass hierfür der
Brustkorb geöffnet werden muss.
Schonender Eingriff
Der Eingriff erfolgt am schlagenden Herzen in Narkose, jedoch ohne Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine.
Ein flexibler Katheter wird über die Oberschenkelvene bis zum Herzen geführt. Hierüber wird entweder der
MitraClip® oder der TriClip® zur Herzklappe eingeführt. Während einer Sitzung lassen sich mehrere Clips
einsetzen. Die Methode zeigt eine exzellente Eingriffssicherheit und sorgt für eine sehr gute Klappenfunktion. Der Eingriff selbst dauert in der Regel ein bis drei Stunden. Drei bis fünf Tage bleibt der Patient stationär
in der Klinik.
Vorteile des MitraClip®- und TriClip®-Verfahrens
1. schonend: Im Vergleich zu einer offenen Herzoperation ist das MitraClip-Verfahren weniger invasiv. Es gibt keine großen Schnitte, und die Erholungszeit ist kürzer.
2. geringeres Risiko: Besonders für ältere Patienten oder solche mit Begleiterkrankungen ist das MitraClip-Verfahren eine sichere Alternative zur herkömmlichen Operation. Das Ergebnis lässt sich noch während des Eingriffs überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.
3. weniger Schmerzen: Nach dem Eingriff treten in der Regel deutlich weniger Schmerzen oder Wundheilungsstörungen auf.
4. schnellere Genesung: Der Patient kann schneller wieder auf die Beine kommen und seinen Alltag fortsetzen.