Am häufigsten ist die Operation, also die Entfernung der Prostata. Am zweithäufigsten erfolgt die Behandlung mit Strahlentherapie. Und eine dritte Methode kann die „aktive Überwachung“ sein. Die Prostata wird dabei zunächst gar nicht behandelt, sondern es werden regelmäßige Untersuchungen eingeleitet. Daneben gibt es noch weitere, jedoch seltener eingesetzte Verfahren. Welche der drei häufigsten Methoden bewerten betroffene Männer aber nach abgeschlossener Behandlung am positivsten? Dem ging nun eine amerikanische Studie nach.
Nicht-Behandeln als Option bei frühen Tumorstadien
In den letzten Jahren zeigten internationale Studien immer wieder ähnliche Ergebnisse: Bei Prostatakrebs sind die Heilungs- und Überlebenschancen nach einer Strahlentherapie mindestens gleich hoch wie nach einer Operation. Bei Hochrisikofällen schneidet die Strahlentherapie sogar besser ab. Auch das Verfahren der „aktiven Überwachung“ kann bei bestimmten Patienten eingesetzt werden, ohne dass ihr Leben dadurch verkürzt wird. Der Tumor wird dabei zunächst gar nicht behandelt. Der Arzt untersucht ihn lediglich regelmäßig. Nur wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, erfolgt eine Therapie.
In den ersten zehn Jahren nach der Diagnose gibt es bei der unbehandelten Patientengruppe keine höhere Todesrate. Insbesondere bei älteren Patienten kann die „aktive Überwachung“ daher die Methode der Wahl sein. Ziel der „aktiven Überwachung“ ist die Vermeidung von Therapiefolgen.
Wie urteilen die Patienten?
Professor Dr. Thomas Hehr ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Palliativmedizin am Marienhospital Stuttgart. Er sagt: „Krebstherapien werden nach objektiven Faktoren bewertet, also vor allem bezüglich ihrer Heilungschancen und Therapiefolgen. Seit Kurzem spielt aber auch die subjektive Bewertung von Therapiemaßnahmen durch den Patienten in der Forschung eine immer größere Rolle.“ Noch in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war Effektivität das wesentliche Bewertungskriterium für Therapien. Bewertet wurde, ob der Patient aufgrund einer neuen Therapie länger und ohne Komplikationen überleben konnte. In späteren Jahrzehnten flossen neben der Effektivität weitere Faktoren in die Beurteilung von Behandlungsmethoden ein. „Dazu zählten die Häufigkeit und die Schwere der Therapiefolgen. Und nicht mehr nur die Lebenslänge, sondern auch die Lebensqualität nach der Behandlung wurden erforscht“, so Professor Hehr. Mehr und mehr fließen die Studiendaten zur Patientenzufriedenheit in die Therapieempfehlungen ein. „Denn wenn Methoden von der Effektivität her ähnlich gut sind, kann man die auswählen, die für den konkreten Patienten am Ende vermutlich die höchste Zufriedenheit bringt“, sagt der Mediziner.
Bedauern über die Therapie?
Eine aktuelle Studie aus den USA wurde Ende 2021 veröffentlicht. Diese befasste sich mit der Frage: Wie sehr bedauern Patienten mit Prostatakrebs im Nachhinein, sich für eine bestimmte Therapie entschieden zu haben? 2072 Männer wurden dafür von Mitte 2020 bis Anfang 2021 per Fragebogen interviewt. Die Befragungen erfolgten fünf Jahre nach einer Behandlung wegen Prostatakrebs. 279 Männer berichteten, sie hätten die Wahl ihrer Behandlungsmethode im Nachhinein bereut. Mit 16 Prozent am höchsten war diese Zahl bei denen, die sich für die radikale operative Prostataentfernung entschieden hatten. Besonders häufig bereuten Low-Risk-Patienten, die eine „wenig gefährlichere“ Krebserkrankung diagnostiziert bekommen hatten, die operative Prostatabehandlung. Hauptgrund nach Angaben der Befragten: Die Operation habe einen negativen Einfluss auf die Sexualfunktion gehabt. Auch Harninkontinenz nach dem Eingriff wurde als Problem aufgeführt. Nach einer Strahlentherapie kann beides ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, ist aber seltener. Ihre Entscheidung für eine Radiotherapie bereuten 11 Prozent der Befragten.
High-Risk-Gruppe
Bei den Patienten, die sich für die Methode der aktiven Überwachung entschieden hatten, hätten nur 7 Prozent im Nachhinein lieber anders entschieden. Bei den High-Risk-Patienten, deren Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung besonders hoch war, bedauerten mehr Betroffene ihre Entscheidung für die aktive Überwachung. Bei ihnen bereuten dagegen nur wenige eine Strahlentherapie. „Welche Methode für einen konkreten Patienten die beste ist, hängt von seinem Tumorstadium, seinem Alter und Vorerkrankungen ab“, so Professor Dr. Hehr. „Für uns Strahlentherapeuten bedeuten die Studienergebnisse: Man sollte Low-Risk-Patienten, deren Krebs nur langsam voranschreiten dürfte, nicht zu einer Therapie drängen. Da ist die Methode der aktiven Überwachung meist besser.“
Und ein weiteres Ergebnis der Studie für den ärztlichen Alltag: „Man kann High-Risk-Patienten guten Gewissens eine Strahlentherapie empfehlen. Bestrahlte Patienten sind in dieser Gruppe am Ende zufriedener als operierte Patienten und auch zufriedener als solche mit aktiver Überwachung“, erläutert Professor Dr. Hehr.
STICHWORT: PROSTATAKREBS
Die Prostata (Vorsteherdrüse) produziert einen Teil der Samenflüssigkeit. Zudem ist sie ein Muskelkomplex, der bei Blasenentleerung und Ejakulation eine wichtige Rolle spielt.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart beim Mann. Die Prognose ist häufig gut. Besonders ältere Männer sterben häufig zwar mit, aber nicht an Prostatakrebs. Denn bestimmte Tumoren wachsen nur langsam und bilden nur selten Metastasen (Tochtergeschwulste in anderen Organen). Daher wird Prostatakrebs bei diesen sogenannten Low-Risk-Patienten zunächst oft gar nicht behandelt, sondern es sollen regelmäßige Untersuchungen erfolgen. Sollte die Erkrankung fortschreiten, sind immer noch Operation oder Strahlentherapie erfolgreich möglich.
Welche Behandlungsart die beste ist, hängt vom Einzelfall ab. Die Strahlentherapie spart Operationsrisiken und -schmerzen sowie einen stationären Klinikaufenthalt. Die Strahlentherapie erfolgt ambulant. Der Patient kommt dafür meist 4–8 Wochen lang an fünf Tagen pro Woche zur Bestrahlung ins Marienhospital. Er liegt etwa 15 Minuten auf dem Behandlungstisch des Linearbeschleunigers. Am längsten dauert dabei die genaue Lagerung, die Bestrahlungszeit selbst beträgt nur wenige Minuten. Die hochpräzise, das umliegende Gewebe weitmöglich schonende Behandlung ist schmerzfrei. Häufige Nebenwirkungen sind Stuhl- oder Harndrang oder Schmerzen im Bereich von Darm und Blase. Die Symptome bilden sich nach Abschluss der Behandlung zurück.