Verengte Herzkranzgefäße durch schonende Behandlung wieder durchlässig zu machen, ist eines der Spezialgebiete von Dr. Thomas Güthe. Der Herzexperte leitet den Schwerpunkt Kardiologie der Klinik für Innere Medizin 1 am Marienhospital Stuttgart. Seine Empfehlung: Bei Atemnot nicht lange warten, sondern die Ursache abklären lassen.
Ich bin 48 Jahre alt und leide unter Agoraphobie („Platzangst“); daher beobachte ich mich auch sehr genau. Ich habe das Gefühl, dass mein Herz einen Moment aussetzt und stolpert, das passiert nur in der Ruhephase. Wie können Sie mir die Angst nehmen, dass mein Herzstolpern nichts Schlimmes ist? Ich lebe gesund und treibe regelmäßig Sport.
Dr. Güthe: In der Regel sind die Herzstolperer nichts Schlimmes und dem Alter geschuldet. In einigen Fällen steckt jedoch eine Herzerkrankung dahinter, dies sollte ärztlich abgeklärt werden. Eine häufige Ursache für Herzstolpern sind Extraschläge des Herzens, die etwas früher als der normale Herzschlag einsetzen, sogenannte Extrasystolen. Bei gesunden Menschen werden sie oft durch Stress, Aufregung, Angst oder Freude verursacht. Die Extraschläge können in Ruhe leichter auftreten, da der langsamere Grundrhythmus das Auftreten von Extrasystolen eher zulässt als ein schnellerer Grundrhythmus. Zudem werden in Ruhe Extraschläge besser wahrgenommen. Idealerweise kann man diese Störung durch ein Langzeit-EKG erkennen. In dieser Zeit hat man eine gute Chance, dieses Stolpern zu erwischen und kann dann im Großen und Ganzen Entwarnung geben. Ich kann Sie da eher beruhigen, wenn es in der Ruhe Auftritt. Eine weitere wichtige Ursache von empfundenem Herzstolpern ist Vorhofflimmern. Daher ist es wichtig, mit dem Langzeit-EKG die Ursache abzuklären. Mit einigen Modellen der neuen Smartwatches kann man auch selbst ein einfaches EKG anfertigen und dann mit den Aufzeichnungen zu seinem Hausarzt gehen.
Ich bin 85 Jahre alt und war mein Leben lang gesund. 2019 war ich zunächst in der Neurologie und Kardiologie des Marienhospitals. Die Diagnose lautete Vorhofflimmern, seitdem nehme ich ein blutverdünnendes Medikament ein. Ich erleide immer wieder Ohnmachtsanfälle. Ein Langzeit-EKG und eine Blutuntersuchung haben zu keinem Ergebnis geführt. Ich leide unter Rhythmusstörungen und Atembeschwerden vor allem nachts und habe oft dicke Beine. Ich bin so verunsichert, dass ich mich gar nicht mehr getraue, etwas zu unternehmen.
Dr. Güthe: Bei Vorhofflimmern ermüdet der Herzmuskel mit der Zeit, da er über das normale Maß hinaus beansprucht wird. Dies könnte der Grund dafür sein, dass auch Ihre Beine dick geworden sind. Ich empfehle Ihnen eine Überweisung zum Kardiologen. Man sollte eine Ultraschalluntersuchung des Herzens machen – eine sogenannte Echokardiografie –, das Langzeit-EKG nochmals betrachten und das Blutdruckverhalten über den Tag hinweg beobachten. Dabei kann man feststellen, ob womöglich eine Herzrhythmusstörung vorliegt, bei der eine „längere Pause“ entsteht und dann die Ohnmacht auslöst.
Ich bin 84 Jahre alt und habe vor zwei Jahren eine neue Herzklappe bekommen. Ich leide unter Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern. Seit meiner Coronaerkrankung kann ich schlecht atmen und fühle mich sehr schwach. Mein Hausarzt sagt, dass die Beschwerden von der Coronaerkrankung herrühren.
Dr. Güthe: Es kann sein, dass Ihre Beschwerden durch das Coronavirus hervorgerufen wurden. Es kann aber auch sein, dass das, was Sie schildern, durch Ihr Vorhofflimmern und Ihren Zustand nach der Herzklappenoperation verursacht wird. Das sollten Sie bei einem Kardiologen abklären lassen. Wenn Sie sich aber gar nicht wohl fühlen, dann gehen Sie bitte in die Notaufnahme eines Krankenhauses und lassen dort die Beschwerden untersuchen. Es ist wichtig, dass Sie bei Atemnot und Ihren Vorerkrankungen nicht zu lange warten.
Ich leide seit Jahren unter hohem Blutdruck und habe eine Herzinsuffizienz. Beides habe ich mit Medikamenten im Griff. Eine mittelgradige Aortenklappenstenose ist seit einigen Jahren stabil. In der Nacht allerdings habe ich regelmäßig extrem hohen Blutdruck. Diese Nacht waren die Werte 220 zu 95, der Puls liegt bei 95. Meist tritt diese Attacke zwischen drei und vier Uhr nachts spontan ohne Anlass auf. Kann der Blutdruck auch durch dramatische Träume ausgelöst werden?
Dr. Güthe: Ein Blutdruck von 220 ist definitiv zu hoch. Der Druck ist in der Herzkammer bei dem Vorliegen einer Aortenklappenstenose noch viel höher anzunehmen. Träume können tatsächlich zu einem erhöhten Blutdruck führen. Während einer Traumphase ist der Körper besonders aktiv. Die Atmung ist unregelmäßig, die Herzfrequenz schwankt, und der Blutdruck steigt. Ich empfehle Ihnen eine Langzeit-Blutdruckmessung. Ihr Kardiologe kann anhand der Werte dann entscheiden, ob Sie vor dem Zu-Bett-Gehen ein Medikament nehmen, welches den Blutdruck senkt und gleichzeitig auf die Psyche beruhigend wirkt.
Ich habe Herzflimmern und bin zweimal bei einer Kardioversion gewesen. Die Linderung hat jeweils nur ein halbes Jahr gehalten. Wie oft kann man das machen?
Dr. Güthe: Die elektrische Kardioversion ist ein Verfahren in der Medizin, mit dem schnelle (tachykarde) Herzrhythmusstörungen beendet werden können und ein normaler Herzrhythmus (Sinusrhythmus) wiederhergestellt wird. Es gibt keine Regel dafür, wie oft man das Verfahren anwenden kann. Wir im Marienhospital machen es bei Vorhofflimmern in der Regel dreimal. Das Verfahren hat eine sehr hohe Erfolgsquote und führt bei ca. 80 Prozent der Patienten zu einem gesunden Sinusrhythmus. Manchmal kommt es aber zu einem erneuten Vorhofflimmern. Dabei schlägt das Herz nicht im normalen Takt. Die Herzvorhöfe schlagen unregelmäßig und häufig zu schnell. Die Erkrankung ist mit einem höheren Schlaganfallrisiko verbunden, und die körperliche Leistungsfähigkeit kann abnehmen.
Eine weitere Behandlung bei Vorhofflimmern ist die Pulmonalvenenisolation (PVI). Die PVI ist eine minimal-invasive Methode, ein Herzkathetereingriff. Dabei werden die Lungenvenen elektrisch vom linken Vorhof isoliert. Dies birgt die Chance, dass sie den Sinusrhythmus für einige Jahre behalten. Denn von den Lungenvenen gehen relativ oft elektrische Signale aus (auch Trigger genannt), die das Vorhofflimmern auslösen. Ich rate, nicht zu lange zu warten, da ein Vorhofflimmern, welches über Jahre besteht, nur schlecht wieder in einen normalen Rhythmus überführt werden kann. Man kann das Vorhofflimmern auch medikamentös behandeln, aber hier muss gut abgewogen werden, da die Medikamente auch gewisse Nebenwirkungen haben. Wichtig ist, dass Sie Ihr Medikament zur Blutverdünnung weiter nehmen. Eine gesunde Ernährung, viel Bewegung und eine gute Blutdruckeinstellung sind ebenso wichtig.
ANZEICHEN für einen HERZINFARKT
Ein drückendes Engegefühl in der Brust und Atemnot sind die häufigsten Anzeichen eines Herzinfarkts. Ebenso wie starke Schmerzen, die in den linken oder rechten Arm, in den Rücken, Hals oder Oberbauch ausstrahlen. Aber auch Angstschweiß mit kalter, fahler Haut, Übelkeit und Erbrechen sind Symptome. Manche glauben, dass Herzinfarkte vor allem Männer betreffen. Das stimmt so aber nicht. Allerdings treten Herzinfarkte bei Frauen im Durchschnitt in einem höheren Alter auf. Auch ist bei Frauen der klassische Brustschmerz nicht so ausgeprägt, daher verkennen viele Betroffene die Lage. Ein Herzinfarkt kann Folge einer bereits bekannten Erkrankung der Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit) sein. Er kann aber auch ohne vorherige Beschwerden auftreten. Bei einem Herzinfarkt ist schnelle medizinische Hilfe nötig – deshalb sollte bei einem Verdacht sofort der Notruf 112 gewählt werden.