Insbesondere auf einer Notfallstation eines Krankenhauses ist die nervliche Anspannung und der Druck enorm. Denn an die Notfallpflege werden sehr hohe Anforderungen gestellt, fachlich genauso wie psychisch. Die Fachpflegenden sind es, die Notfall- und Akutpatienten in den entscheidenden ersten Minuten bis Stunden auf der Notfallstation betreuen und versorgen.
Die Vielfalt hat einen großen Reiz
Sie führen eine Ersteinschätzung durch. Sie beurteilen, ob ein Patient vital bedroht ist oder nicht, ob es sich um eine potenziell gefährliche Situation handelt oder – im glücklichen Fall – nur um eine geringfügige Verletzung. Die folgenden Herausforderungen sind dann nicht weniger groß. „Die Patienten kommen ja aus allen Fachbereichen: Man muss auf der Notfallstation mit einem Herzinfarkt genauso gut umgehen können wie etwa mit einem urologischen Problem. Notfallpflegende assistieren bei der Wundversorgung und müssen Schwerstverletzte nach einem Verkehrsunfall oder Mehrfacherkrankte in Akutfällen versorgen“, erklärt Sebastian Schiffer, verantwortlicher Kursleiter der Fachweiterbildung Notfallpflege am Bildungszentrum Vinzenz von Paul (BIZ) am Marienhospital. Und mit einiger Leidenschaft für sein Fachgebiet legt er nach: „Aber das Vielfältige ist auch ein großer Reiz, denn Notfallmedizin sind die spannendsten 15 Minuten jeder anderen Fachrichtung.“
Noch eine vergleichsweise junge Disziplin
Dabei ist Notfallpflege eine relativ junge Disziplin. Erst 2016 wurde sie als eigenständige Fachweiterbildung verbindlich eingeführt. Neun Teilnehmer sind im November 2022 gestartet und bilden den ersten Jahrgang der Fachweiterbildung Notfallpflege am Marienhospital. Sie alle haben eine allgemeine pflegerische Ausbildung, bereits einige Berufserfahrung und arbeiten an den verschiedenen Häusern, mit denen das BIZ für diese Fachqualifizierung kooperiert. „Das ist ein guter Start“, findet Sebastian Schiffer, der zusammen mit Henning Hoffmann und Florian Stroh die Inhalte und Durchführung der intensiven Fachweiterbildung im BIZ verantwortet. Denn die meisten Kliniken können es sich oft gar nicht erlauben, vier oder fünf Mitarbeitende gleichzeitig in die Weiterbildung zu schicken.
„Es ist absolut gut und wichtig, dass es eine so intensive Ausbildung ist, dass man so viele Praktika absolvieren und so viel Zeit in die Theoriestunden investieren muss“, sagt Sebastian Schiffer und ergänzt: „Aber es ist eben auch eine lange Abwesenheit, die gerade in der Notaufnahme oft problematisch ist.“ Gemeinsam mit den Teilnehmern der Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesie werden die angehenden Notfallpfleger bis März 2023 die Basismodule samt den jeweiligen Modulprüfungen absolvieren. Danach trennen sich die Gruppen in ihre jeweiligen Fachausbildungen. Über zwei Jahre hinweg konzentriert sich der Unterricht in insgesamt 17 Blockwochen, das sind 720 Stunden Theorie und 1800 Praxisstunden am jeweiligen Arbeitsort, zum größten Teil natürlich in den Notaufnahmen.
Mit besonders belastenden Situationen umgehen lernen
Gemäß dem Leitgedanken „Medizin leben. Mensch sein.“ wird der Fokus der Ausbildung am Marienhospital nicht ausschließlich auf die rein fachlichen Inhalte gelegt. Sebastian Schiffer formuliert das so: „Das Fachliche ist natürlich sehr wichtig. Aber der Faktor Mensch in seiner Komplexität und mit diesen ganz vielen unterschiedlichen und schwierigen Situationen bleibt zentral.“ Bereits in den Basismodulen der Fachweiterbildung stellt deshalb das Thema Resilienz einen Schwerpunkt dar. „Wir versuchen, den Teilnehmern mögliche Strategien mitzugeben, um mit besonders belastenden Situationen zurechtzukommen. Und wir besprechen, welche Hilfsangebote es gibt. Denn die persönliche Psychohygiene ist ein wichtiger Aspekt, um gesund im Beruf zu bleiben“, erläutert Sebastian Schiffer den wichtigen Aspekt der professionellen Begleitung.
Aus eigener Erfahrung weiß er: Egal, mit welcher Person man auf der Notaufnahme redet, jede wird eine Patientensituation beschreiben können, die ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. „Das sind dann Erlebnisse, die man sein ganzes Leben mit sich herumträgt.“ Henning Hoffmann, der die Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesie verantwortet, ergänzt: „Im Wesentlichen kommt es darauf an, welche Haltung die Menschen haben, die diesbezüglich die Verantwortung tragen, wie sie damit umgehen und wie sie das kommunizieren.“
Auf psychologische Unterstützung wird mehr Wert gelegt
Hier sei im medizinischen und pflegerischen Bereich ein entscheidender Wandel vollzogen worden, betonen beide Kursleiter. In den vergangenen Jahren habe sich das Bewusstsein für eine breitere und intensivere Unterstützung etabliert. Das zeige sich auch im Angebot von Debriefings, den Nachbesprechungen extremer Notfalleinsätze. Deshalb ist es den Verantwortlichen im Rahmen einer solchen Fachweiterbildung ganz wichtig, den Teilnehmern zu sagen: „Ihr habt das Recht auf eine psychologische Unterstützung! Nutzt es! Es geht da um eure persönliche Gesundheit.“
Mit Sebastian Schiffer ist seit 2021 ein ausgewiesener Experte für die Notfallpflegeweiterbildung am Bildungszentrum Vinzenz von Paul des Marienhospitals am Start. Seine Notfallpflegeausbildung hat er 2010 in der Schweiz abgeschlossen, wo es diese Fachweiterbildung bereits seit den 1990er-Jahren gibt. Von 2016 bis 2021 war er verantwortlich für den Nachdiplomstudiengang Notfallpflege am Kantonsspital Baden. „Sebastian hat die herausragende Qualifikation und die berufliche Erfahrung. Und er hat das Herz am rechten Fleck. Das ist wichtig“, sagt sein Kollege Henning Hoffmann voller Anerkennung.
NOTFALLPFLEGEKONGRESS am MARIENHOSPITAL
Im September 2022 hat sich das Marienhospital mit der Ausrichtung des ersten Notfallpflegekongresses in Deutschland profiliert. „Ein wirklich großer Erfolg“, freut sich Sebastian Schiffer, Referent für Notfallpflege im BIZ des Marienhospitals und Organisator des Kongresses. Und auch der zweite Notfallpflegekongress wird vom Marienhospital ausgerichtet. Er wird am 11. und 12. Oktober 2023 stattfinden, wieder mit zahlreichen Workshops und Vorträgen rund um die Notfallpflege (zum Anmeldeformular).
Fragen zu Kongress- und Kursinhalten an: Sebastian Schiffer, Telefon: 0711 6489-3352, notfallpflegekongress@vinzenz.de
Informationen zur Weiterbildung Notfallpflege am BIZ erhalten Sie hier.
Notfall-Podcast FASTTRACK
Zusammen mit Andreas Müller betreibt Sebastian Schiffer den Notfall-Podcast FASTTRACK. Einfach mal reinschauen oder reinhören. Lohnt sich: www.fasttrack-notfall.com