Spätestens durch Corona hat auch die Politik registriert, wie wichtig Infektiologie heute ist – und dass sie es in Zukunft noch mehr sein wird. Vom Bundesärztetag ist 2021 die Spezifizierung Facharzt für Innere Medizin/Infektiologie auf den Weg gebracht worden, erklärt Dr. Stephan Horn. Ins Haus geholt wurde der Internist und Infektionsmediziner von Dr. Stefan Reinecke, Ärztlicher Direktor der Inneren Medizin 2 am Marienhospital. Dieser hat die Bedeutung des Themas schon früh erkannt. Allerdings: Als Dr. Horn im November 2020 zu seinem neuen Arbeitgeber gestoßen ist, „da war SARS-CoV-2 schon voll am Laufen“, erinnert er sich. Somit hatte er als Oberarzt erst einmal damit zu tun, Corona-Patienten auf der sogenannten Covid-Normalstation zu betreuen.
ABS: Antibiotika verantwortungsvoll einsetzen
„So langsam entwickelt sich meine Tätigkeit mehr in die Richtung, weswegen ich eigentlich gekommen bin“, sagt Dr. Horn. Die besteht vor allem in der Etablierung eines infektiologischen Konsiliardienstes und dem Ausbau der ABS-Maßnahmen. Sprich ein Qualitätsmanagement, für das er mit Kollegen vieler Fachabteilungen im ständigen Austausch ist. Die Abkürzung ABS steht in diesem Fall für Antibiotic Stewardship. Darunter versteht man den verantwortungs- und maßvollen Umgang mit antibiotischen Mitteln. Anstatt also „auf Verdacht“ mit einem Antibiotikum zu behandeln, geht es erst einmal darum, die Infektion genau zu definieren.
Das ist gar nicht so einfach, da ganz verschiedene Mikroorganismen die Ursache dafür sein können: Bakterien, Viren, Pilze und auch Parasiten. „Häufig sammeln wir erst einmal Indizien“, sagt Dr. Horn, sei es über Entzündungswerte im Blutbild, Ultraschall oder auch eine Lungenspiegelung. Er werde überall im Haus bei Fällen dazugeholt, wo ein unbestimmter Anfangsverdacht besteht. Das Feld ist sehr weit: von Entzündungen der Harnwege, Gallenblase oder Lunge bis zu Infektionen von Knochen, Weichgewebe oder im Bauchraum.
Auch Tropenkrankheiten sind ein Thema für den Infektiologen
Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich Dr. Horn beschäftigt, ist die Verbreitung von Tropenkrankheiten. Als Beispiele nennt er das West-Nil-Virus oder das Chikungunya-Fieber – Virusinfektionen, die insbesondere durch Stechmücken wie die Asiatische Tigermücke übertragen werden. Diese erweitern durch die Globalisierung ihr Verbreitungsgebiet. Sie kommen in Containern mit importierten Produkten oder im Gepäck von Reiserückkehrern in unsere Breitengrade. Und fühlen sich hier – Stichwort Klimawandel – dann auch immer wohler.
Bei der Infektiologie und ihren ABS-Maßnahmen, beides sonst eher in Uni-Kliniken verankert, ist das Marienhospital Vorreiter. Und darauf aufbauend auch bei einem anderen Punkt beziehungsweise einer Abkürzung, die ebenfalls zum Fachgebiet von Dr. Stephan Horn gehört: APAT. Die Buchstaben stehen für Ambulante parenterale Antibiotikatherapie. Anstatt im Hospital mit Infusionsspritzen stationär behandelt zu werden, bekommen die Patienten eine Heimpumpe mit nach Hause. So können sie sich in ihrer vertrauten Umgebung die Antiinfektiva selbst oder mithilfe des Pflegedienstes verabreichen. Ein Stück mehr Lebensqualität, das auch die Genesung fördert.
WIE ENTSTEHEN MULTIRESISTENTE BAKTERIEN?
Bakterien vermehren sich oftmals sehr schnell und in großer Anzahl. Werden sie mit Antibiotika bekämpft, entsteht ein Selektionsdruck: Es überleben die Erreger, die sich gegen das Antibiotikum erfolgreich zur Wehr setzen konnten. Die nächste Bakteriengeneration ist dann immun gegen das zuvor gegebene Antibiotikum … und braucht zur Bekämpfung ein anderes Mittel. Die zur Verfügung stehenden Arten von Antibiotika sind jedoch begrenzt. Deshalb sind ABS-Maßnahmen zur Reduzierung unnötiger Antibiotika-Verabreichung so wichtig.