„Ich bin in Socken durch meine Wohnung gegangen und auf dem Parkett ausgerutscht,“ sagt Elisabeth Altmeister*. Die 84-jährige Stuttgarterin erinnert sich noch genau an den Sturz am 12. Mai. „Danach war ich praktisch bewegungsunfähig, konnte nicht mehr gehen.“ Was bei einem jungen Patienten vermutlich glimpflich ausgegangen wäre, führte bei der ehemaligen Buchhalterin zu einen Kreuzbeinbruch. In dessen Folge war sie unfähig, sich fortzubewegen und bis zu ihrer Operation im Marienhospital ans Bett gefesselt.
* Name auf Wunsch der Patientin geändert
Oft reicht ein banaler Sturz aus
Junge Leute ziehen sich einen Becken- oder Kreuzbeinbruch höchstens bei einem Auto- oder Motorradunfall oder einem Sturz aus großer Höhe zu. Bei älteren Menschen treten solche und andere Knochenbrüche oft schon infolge eines banalen Sturzes aus Standhöhe auf. Etwa beim Stolpern über den Teppich oder bei einem Sturz infolge einer Schwindelattacke. Mit zunehmendem Alter werden die Knochen nämlich spröder und brechen leichter.
Im Alter brechen die Knochen meistens leichter
Ursache für die häufigen Knochenbrüche betagter Menschen ist die Alterskrankheit Osteoporose, also Knochenschwund. Zudem wird die Sturzgefahr durch das Nachlassen der Sehkraft, der Muskelkraft und der Koordinationsfähigkeit begünstigt. Handgelenksbrüche, Schenkelhalsbrüche, Oberarmbrüche, Wirbel-, Becken- und Kreuzbeinbrüche sind oft die Folge.
Einige der typischen Altersfrakturen können das Leben älterer Menschen dramatisch verändern. Wenn sie nicht oder mit schlechtem Ergebnis operiert werden, können viele Betroffene ohne fremde Hilfe das Bett nicht mehr verlassen. Sie leiden unter Schmerzen und müssen unter Umständen sogar in ein Heim ziehen.
Beckenbrüche müssen nicht immer operiert werden
„Manche Brüche im Bereich des Beckens können konservativ, mit Schmerzmitteln, kurzer Bettruhe und früher Mobilisation behandelt werden“, so Professor Dr. Ulrich Liener. Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie des Marienhospitals. „Frau Altmeister musste allerdings operiert werden“, sagt er. Bislang standen für Kreuzbeinbrüche nur aufwendige und belastende Operationen zur Verfügung. „Seit Kurzem bieten wir im Marienhospital aber auch hierfür eine minimalinvasive und sehr sichere Operationsmethode an. Sie kommt mit einem winzigen Schnitt aus und belastet den Patienten oder die Patientin weniger als viele frühere Verfahren“, erklärt Professor Liener.
Führungsdraht unter CT-Kontrolle eingeführt
Frau Altmaier wurde wenige Tage nach ihrem Sturz im Marienhospital mit der neuen Methode operiert. Die Patientin lag dafür in Vollnarkose seitlich auf der Liege eines Computertomografen (CT). Professor Liener führte zunächst einen dünnen Führungsdraht vom Beckenknochen aus durch den Bruch bis ins Kreuzbein. Der Draht, der vorn eine Art spitzes Gewinde hat, wurde mithilfe einer Bohrmaschine in den Körper bewegt. Die korrekte Position des Drahtes wurde mittels CT aus mehreren Blickwinkeln bestimmt. CT-Aufnahmen ermöglichen den schmerzfreien dreidimensionalen Blick in den Körper. Sind Position und Eintrittswinkel des Drahtes laut CT-Bild korrekt, kann er gefahrlos in den Knochen geschoben werden. Die moderne Technik verhindert eine Verletzung unmittelbar in der Nähe liegender Nerven.
Millimetergenaue Operation dank CT
Über den korrekt sitzenden Draht wurde eine innen hohle Schraube in beide Knochen gedreht, die den Bruch dann stabilisierte. Der Draht wurde anschließend entfernt, und es wurde von außen Zement in die innen hohle Schraube gespritzt. Dieser konnte durch Öffnungen am Schraubenende austreten und so die Schraube fest im Knochen fixieren. „Der Zement sorgt dafür, dass die Schraube sich im Lauf der Zeit nicht wieder lockert, und er stabilisiert zusätzlich den osteoporotischen Knochen“, so Professor Liener.
Die Methode wurde andernorts bereits länger mit Unterstützung durch ein normales Röntgen- statt eines technisch weit aufwendigeren CT-Geräts angewandt. „Röntgenaufnahmen sind aber nicht so detailreich wie CT-Aufnahmen, und man hat bei jeder Aufnahme immer nur eine feste Blickrichtung. CTs ermöglichen dagegen, dass man den Bruch aus verschiedensten Perspektiven anschauen kann. Bei osteoporotischen, schwachen Knochen ist das wichtig. Denn so sieht der Operateur auf den Millimeter genau, wo er sich befindet“, so Professor Liener.
Die Patientin kann seit dem Eingriff wieder gehen
Knapp zwei Wochen lag Elisabeth Altmeister im Krankenhaus. „Schon am Tag nach dem Eingriff konnte ich wieder gehen, nachdem ich bis da ja das Bett nicht mehr hatte verlassen können“, sagt sie. Noch nehme sie Schmerzmittel, weil Gehen und Sitzen weh tun, erzählt sie am letzten Kliniktag. „Aber ich gehe jetzt in Reha und bin optimistisch, dass ich danach wieder fit bin und fest auf den Beinen stehen werde“, so die Patientin.