Anfangs hielt der Hausarzt sein Husten und seine Atemnot für eine Bronchitis. Dann stellte die Lungenklinik Schillerhöhe im Februar 2015 die für Siegfried Selzer schockierende Diagnose: Lungenkrebs.
Zur Bestrahlung ins Marienhospital überwiesen
„Ich hatte zwar seit meiner Jugend geraucht, trotzdem war die Diagnose Lungenkrebs natürlich ein Schock“, so der heute 76-jährige Siegfried Selzer. Größe und Sitz seines Tumors ließen keine operative Behandlung zu. „Man hätte mir dafür den kompletten rechten Lungenflügel entfernen müssen. Da auch der linke durchs lange Rauchen schon vorgeschädigt war, konnte er aber nicht die Funktion der kompletten Lunge übernehmen.“ Die Klinik Schillerhöhe überwies Siegfried Selzer daher ans Marienhospital. Die beiden Krankenhäuser kooperieren eng.
Professor Dr. Thomas Hehr, der Ärztliche Direktor der Klinik für Strahlentherapie des Marienhospitals erläutert: „Ich nehme wöchentlich an der Tumorkonferenz in der Klinik Schillerhöhe teil. Ein interdisziplinäres Ärzteteam legt dort gemeinsam die optimale Therapie für jeden einzelnen Patienten fest. Bei Herrn Selzer war das eine kombinierte Strahlen-Chemotherapie, für die er dann zu uns ins Marienhospital überwiesen wurde.“ „Bei Strahlentherapie denkt man schnell an unpersönliche Großgerätemedizin“, so Siegfried Selzer. „Die Ärztin, die mich in der Ambulanz des Marienhospitals in Empfang nahm, sagte aber gleich zu Beginn des ersten Gesprächs: Herr Selzer, wir haben alle Zeit der Welt.“
Sprechen und zuhören
Er habe sich auch von den anderen Teammitgliedern – von der Sekretärin bis zum Chefarzt – immer ernst genommen gefühlt, betont der ehemalige Galvanotechniker. „Im Marienhospital habe ich die oft geforderte sprechende als zuhörende und antwortende Medizin erleben dürfen“, sagt der Patient. Professor Hehr bot Siegfried Selzer die Teilnahme an einer Studie an. „Die sogenannte PET-Plan-Studie sollte herausfinden, wie man die Strahlung dosieren und positionieren muss, um einen bösartigen Lungentumor möglichst vollständig und mit wenig unerwünschten Therapiefolgen zu zerstören“, erläutert der Chefarzt. Die Studie wurde von 2009 bis 2017 an 24 Kliniken im deutschsprachigen Raum mit insgesamt 311 Patientinnen und Patienten durchgeführt. 2020 werden die Ergebnisse international wissenschaftlich veröffentlicht.
Studienarm ausgelost
Die Hälfte der Studienteilnehmer wurde nach der bisher üblichen Methode behandelt: Dabei wurden der Tumor und ein Teil des umliegenden Gewebes, in dem eventuell noch Tumorzellen vorhanden sind, mittels Linearbeschleuniger bestrahlt. Im zweiten, experimentellen Studienarm arbeiteten die Ärzte mit einem kleineren Bestrahlungsfeld und einer höheren Strahlendosis, die exakt auf den im PET sichtbaren Tumor gerichtet war.
Welcher Patient in welchen Arm kommt, wird bei solchen Studien ausgelost. Siegfried Selzer kam in den experimentellen Arm. „Das hat mir vielleicht das Leben gerettet. Denn im experimentellen Arm konnten 80 Prozent der Tumore zum Verschwinden gebracht werden, im konventionellen nur 60 Prozent“, sagt er.
37 kurze Bestrahlungen
Siegfried Selzers Tumor wurde in 37 kurzen ambulanten Sitzungen bestrahlt. Zeitgleich wurde eine Chemotherapie durchgeführt. So konnte der Tumor in zwei Monaten komplett zum Verschwinden gebracht werden. An der Stelle des ehemaligen Tumors ist heute nur noch eine Narbe zu erkennen. In Zukunft werden weltweit Lungenkrebspatienten vom Ergebnis der Studie profitieren: Denn die renommierte wissenschaftliche Zeitschrift Lancet Oncology wird das Studienergebnis demnächst veröffentlichen.
Seit fünf Jahren krebsfrei
Seit fünf Jahren ist Siegried Selzer nun krebsfrei und gilt als geheilt. Er hat von der Therapie keine bleibenden Nebenwirkungen, kann auch seinem Hobby Radfahren wieder nachgehen. Einmal jährlich kommt Siegfried Selzer zur Verlaufskontrolle ins Marienhospital. Und für das Team der Strahlenklinik hat er jedes Mal Leckereien aus der Konditorei seiner Schwiegertochter und seines Sohnes dabei. „Ich möchte damit zeigen, wie zufrieden ich mit der medizinischen und menschlichen Betreuung im Marienhospital bin“, sagt er lächelnd.